Finnlands Landfläche ist zu 78 % mit Wald bedeckt, ca. 61 % des Waldes sind in Privatbesitz. Dabei ist es nur minimal überraschend, dass fast 13 % der finnischen Bevölkerung Wald mit durchschnittlich 30,3 Hektar besitzt. Doch das Durchschnittsalter eines Waldbesitzers ist 60 Jahre. Sukzessive gehen die Waldbesitze an die jüngere Generation über, die jedoch großteils in Städten lebt und weder Zeit noch Know-How besitzt, um eine professionelle Forstwirtschaft zu betreiben. Was also tun?
Den Wald in die Tasche transferieren!
Tieto entwickelt gemeinsam mit verschiedensten Partnern aus (Forst-)Wirtschaft, IT und Wissenschaft digitale Services, die forstwirtschaftliche Entscheidungen vereinfachen und ins moderne Zeitalter verfrachten. Es können hierbei unterschiedlichste Alternativen der Waldarbeit, wie unter anderem Aus- oder Abholzungen simuliert und deren wirtschaftliche Auswirkungen beurteilt werden. Es werden die wirtschaftlich relevantesten Entscheidungskriterien aufgezeigt und Empfehlungen abgegeben, um den Waldbesitzern eine einfache und schnelle Entscheidungsfindung zu ermöglichen. Davon profitieren jedoch nicht nur Waldbesitzer, sondern auch Forstbetriebe, denen durch die gesammelten Daten ein besserer Einblick in ihre Rohmaterialversorgung ermöglicht wird und somit ihre Bedarfsplanung optimiert werden kann.
Doch wie funktioniert das?
Satellitenbilder und vor allem durch Drohnen aufgenommene Luftbilder werden mit topografischen Karten, GPS-Daten und Informationen über Bodenqualität, Höhenlage, Bewuchs und Wasserhaushalt in Waldinformations- und Waldmanagementsystemen gemapped, analysiert und ausgewertet – aus einem „Big Data Jungle“ entstehen einzelne, digitale Bäume. Ebenso wie alle Bäume und ihr Standort werden jede Lichtung, jedes Gewässer und jeder Wirtschaftsweg verzeichnet. Dadurch wird es möglich, relevante Entscheidungen auf Basis fundierter Fakten zu treffen. Es entsteht ein, der Realität ähnlicher, digitaler Zwilling des Waldes. Unvorstellbar? Was für uns unvorstellbar ist, ist in der Forstwirtschaft nun Realität.
Aber was genau ist ein “Digital Twin“?
„Ein Digitaler Zwilling repräsentiert ein reales Objekt in der digitalen Welt. Es kann sich um materielle oder immaterielle Objekte handeln. Die Digitalen Zwillinge sind aus Daten und Algorithmen aufgebaut und können über Sensoren mit der realen Welt gekoppelt sein.“ (Big Data Insider, 2018).
Es kann sich hierbei um die Abbildung von Produkten, Dienstleistungen oder Prozessen handeln, deren Eigenschaften in digitalen Systemen gespeichert sind – eigentlich ja nichts Neues! Aber moderne Technologien, wie Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR), ermöglichen dem Benutzer diese Daten „real-getreu“ abzurufen und nicht in unendlichen Tabellen nach den gewünschten Eigenschaften suchen zu müssen. Im Fall unseres digitalen Waldes wird mittels VR und 3D-Grafiken das Herumgehen im Wald simuliert – so wird die Art und Weise der Arbeit durch moderne Technologien nachhaltig verändert und optimiert. Man kann beispielsweise hierbei einzelne Bäume betrachten, ihre Eigenschaften einsehen und Maßnahmen ergreifen, wie eine Abholzung einplanen. Klingt für Sie irre? Stellen Sie sich vor, Sie können ab nun einzelne Bäume „lesen“ und dementsprechend handeln.
Was gibt es noch in der digitalen Forstwirtschaft? Zusätzlich werden momentan neue Technologien erforscht, die eine frühzeitige Erkennung von Schäden durch Borkenkäfer ermöglicht, noch bevor das menschliche Auge diese erkennen kann. Diese Informationen müssen nicht zwangsweise mittels VR-Brillen abgerufen werden, sondern können auch bequem von überall über das Smartphone oder Tablet eingesehen werden.
Nicht nur in Finnland wird daran gearbeitet
Laut Forschern vom Institut für Mensch-Maschine-Interaktion der RWTH Aachen ist diese Entwicklung erst der Beginn einer digitalen Revolution im Bereich der Land- und Forstwirtschaft. Eine Arbeitsgruppe des Instituts beschäftigt sich beispielsweise mit der Verknüpfung der digitalen Wälder mit GPS-gesteuerten Harvestern. Dies würde eine selektive Abholzung von speziell ausgewählten Bäumen ermöglichen, die man „real“ im Wald so einfach gar nicht finden würde. Im Zusammenspiel mit hochgenauen Navigationskarten, Umgebungssensoren und Laserscannern wird der Harvester genau zu dem vom Revierleiter gewählten Baum gesteuert und genau dieser wird dann auch gefällt. Sie fragen sich, wie das funktioniert?
5G und Satelliten als Enabler
Um eine automatische Echtzeit-Steuerung und Erkennung des gewählten Baumes basierend auf zentimetergenauen GPS-Angaben kombiniert mit Sensordaten des Harvesters zu ermöglichen, muss die Infrastruktur genau dafür ausgelegt sein. Die neueste Mobilfunk-Generation (5G) ermöglicht eine latenzarme Datenübertragung in nahe Echtzeit von den Sensoren zum Steuerungs-Hub und vice versa. Gleichzeitig liefern moderne Satelliten- oder Drohnentechnologien die Datenbasis für forstwirtschaftliche Entscheidungen, die mit freiem Auge nicht sichtbar wären (wie beispielsweise durch eine Infrarot-Kartierung). Es können damit blitzschnell, automatisiert und ohne menschliches Einwirken sowohl ökonomisch als auch ökologisch relevante Entscheidungen getroffen und sofort durchgeführt werden und so das Optimum aus der Forstwirtschaft herausgeholt werden.
Fazit
Trotz immer wiederkehrender Kritik, vor allem an der 5G-Technologie, kann sie in diesem Bereich zu einer besseren und genaueren Bewirtschaftung der Wälder beitragen und so, z. B. durch die Vermeidung von Kahlschlägen oder durch die frühzeitige Erkennung von Schädlingen, eine nachhaltige und bedarfsoptimierte Rohstofflieferung ermöglicht werden. Damit wird dieses empfindliche Ökosystem „Wald“ geschont und für die kommenden Generationen durch moderne Technologien erhalten.
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