„One-third of food produced for human consumption is lost or wasted globally, which amounts to about 1.3 billion tons per year.“ (Gustavsson et al., 2011)
Lebensmittelabfälle fallen in jeder Stufe des Versorgungsnetzes an:
- Im Landwirtschaftssektor spielt sowohl der Anbau, als auch die Haltung eine entscheidende Rolle. Abfall entsteht hier entweder als organischer Müll (z. B. Maisstängel, Dünger), durch direkte Lebensmittelabfälle oder verlorene Lebensmittel (z. B. Früchte oder Gemüse von geringerer Qualität, beschädigte Produkte, die im Feld zurückgelassen werden, Co-Produkte mit geringem oder fehlendem kommerziellem Wert).
- Die Lebensmittelindustrie verliert wertvolle Lebensmittel entlang der gesamten Produktionskette. Wesentliche Gründe in der Verarbeitung und im Handel sind vor allem Überproduktion, Lagerüberschüsse, Fehletikettierungen, Unter- oder Übergewicht der Produkte (Inhaltsmengen stimmen nicht mit rechtlichen Forderungen oder Füllangaben der Verpackung überein), Transportbeschädigungen, Sortimentswechsel, Verpackungsneugestaltung oder Saisonwarenproduktion.
- Interne Vereinbarungen zwischen verarbeitenden Betrieben und Handelsbetrieben können ebenfalls zur Entsorgung von Produkten führen. Ist die verfügbare Zeitspanne, bis zum Erreichen des Mindesthaltbarkeitsdatums eines Produktes für die internen Logistikwege zu kurz, so werden die Produkte vom Handel nicht übernommen und der Produzent entsorgt die Ware schon Monate vor Erreichen des Mindesthaltbarkeitsdatums (z. B. Tiefkühlprodukte) (Schneider, 2008).
- Einen wesentlichen Beitrag am Anstieg der Lebensmittelabfälle leisten ebenso Haushalte. Die Generierung von Abfällen beim Endkonsumenten resultiert vor allem durch zu häufige oder übermäßige Käufe, schlechte Lagerungsbedingungen, falsche Kochweisen und der Verwechslung zwischen den Begriffen des Mindesthaltbarkeitsdatums und Ablaufdatums (Papargyropoulou et al., 2014).
Valorisierung als Lösung?
Gerade die Generierung von vermeidbaren und teilweise vermeidbaren Abfällen verursacht Probleme sowohl auf ökonomischer, sozialer, als auch umweltrelevanter Ebene. Lebensmittelabfälle tragen einen beträchtlichen Teil zu den Treibhausgasemissionen bei, wobei hier vor allem auf die Methanemissionen von Deponien hinzuweisen ist.
Valorisierung als mögliche Wertsteigerung setzt genau an dieser Problematik an. Lebensmittelabfälle stellen eine vielversprechende Quelle für Rohmaterial zur Gewinnung von Nährstoffen dar, die in vielen biotechnologischen Prozessen zur Produktion von hochwertigen Produkten benötigt werden (Lin et al., 2013). Zusätzlich wird der Anteil an organischem Material reduziert, der anderweitig behandelt oder letztendlich deponiert werden muss.
Valorisierungsrouten bieten eine große Bandbreite an Vorteilen:
Aus ökologischer Sicht können sie zu einer erheblichen Reduktion der hochwirksamen treibhausgasrelevanten Methanemissionen, als auch zu einer nachhaltigen Erhaltung natürlicher Ressourcen und fossiler Brennstoffe beitragen. Auf sozialer Ebene können sie den Konflikt zwischen dem Anbau von Lebensmittel- und Bioenergiepflanzen entschärfen und aus ökonomischer Sicht zu einer Kostenersparnis führen, indem sie zu Bioprodukten weiterverarbeitet werden (Girotto et al., 2015).
1. Das Konzept der Bioraffinerie...
„A biorefinery is a facility that integrates biomass conversion processes and equipment to produce fuels, power and chemicals from biomass.“ (bioenergyconsult, 2008)
Valorisierungsrouten von Lebensmittelabfällen in Bioraffinerien inkludieren die Extraktion hochwertiger Komponenten, die bereits in den Substraten vorhanden sind und für Rohstoffe pharmazeutischer Anwendungen herangezogen oder zu Chemikalien, Materialien oder Biotreibstoffen umgewandelt werden.
... zur Herstellung von Chemikalien:
Unsere Lebensmittelkette erzeugt eine Reihe nützlicher Reststoffe mit verfügbaren funktionsfähigen Molekülen wie Flavonoiden, Waxen, Biopolymeren oder Fettsäuren. Aus diesen Reststoffen können wertvolle Stoffe wie Collagen, Pektin, Stärke oder Aminosäuren gewonnen und durch einen weiteren Aufschluss beispielsweise Zellulose, biologische Lösungsmittel, Alkohole oder biologische Tenside hervorgebracht werden.
Einen interessanten Forschungsansatz stellen die großen Mengen an Fruchtabfällen dar, die in der Getränkeindustrie erzeugt werden: die weltweite jährliche Produktion wird auf rund 5 bis 9 Millionen Tonnen an Trauben und 3 bis 4,2 Millionen Tonnen an Äpfeln geschätzt (bezogen auf den Nassanteil der Nebenprodukte während die Frucht verarbeitet wird) (Djilas et al., 2009).
Auf weltweiter Betrachtungsebene stellen vor allem die hohen Volumina an Zitrusschalen einen perfekten Kandidaten für eine kombinierte Extraktion von marktfähigen Chemikalien wie D-Limone, Pektin oder Flavonoide dar. Diese Überlegungen bildeten den Grundstein des OPEC (Orange Peel Exploitation Company) Projektes. Am Green Chemistry Centre of Excellence wurde Forschung im Bereich von Mikrowellen Aktivierung vorgenommen und es schließlich geschafft aus Orangenschale D-Limonene, Pektin und eine Form mesoporöser Cellulose herzustellen. Somit können aus nur einem einzigen Prozess und ohne jegliche Vorbehandlung verschiedene nützliche Stoffe gewonnen werden (Pfaltzgraff et al., 2013).
… zur Herstellung von Biokunststoffen:
Die Fisch- und Fleischproduktion generiert Abfälle mit hohem Gesundheitsrisiko und bedarf daher einer strengen Abfallgesetzgebung und strikter Behandlungsmaßnahmen. Reststoffe aus Schlachtung und Fleischproduktion stellen einen komplexen und in großen Mengen anfallenden Rohstoff dar. Ein Team aus Forschern der Fabrik der Zukunft entwickelte ein umfassendes Nutzungskonzept für Tierreststoffe.
Schlachtabfälle können durch einfache Spaltung mit Wasser zu einer Fettfraktion und einer Fraktion, die reich an Aminosäuren ist, verarbeitet werden. Letztere kann zur Produktion von biologisch abbaubaren Kunststoffen verwendet werden und aus der Fettfraktion kann Biodiesel hergestellt werden. Pflanzentöpfe, Metall-Klebstoffe oder Mulchfolien aus Bio-Kunststoff sind weitere interessante Produkte, die aus Schlachtabfällen hergestellt werden können (Braunegg et al., 2006).
2. Die Kultivierung von Mikroalgen – ein weiterführender Ansatz
Algen assimilieren CO2 und nutzen es für ihr Wachstum. Sie bestehen vorwiegend aus Proteinen und Lipiden. Letztere können als Quelle für Biotreibstoffe, als Baustein in der chemischen Industrie und Zusatzstoff essbarer Öle in der Lebensmittel- und Gesundheitsbranche herangezogen werden (Radakovits et al., 2010). Überdies ist die Kultivierung von Mikroalgen nicht an bebaubares Land gebunden – die Züchtung ist somit in sterilen Plätzen oder sogar auf See möglich. Die Produktion steht damit nicht in direkter Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion und stellt zugleich eine nachhaltige Quelle für Proteine und Lipide dar.
Es gibt bereits vielversprechende Forschungsergebnisse, welche die Eignung von Lebensmittelabfällen als Kultivierungsmedium für Mikroalgen untersuchen (Pleissner et al. 2013). Diese Ergebnisse konnten bereits zeigen, dass durch eine biochemische Spaltung ein Hydrolysat hergestellt und anschließend als Kulturmedium und Nährstoffquelle für zwei Algenstränge verwendet werden kann. Als Ergebnis erhält man ein Produkt, das reich an Kohlenhydraten, Lipiden, Proteinen und gesättigten Fettsäuren ist und als Ausgangstoff für Biodiesel oder als Zusatzstoff in der Lebensmittelindustrie eingesetzt werden kann (Pleissner et al., 2013).
Fazit
In Bezug auf die Durchführbarkeit der soeben aufgezeigten Valorisierungsstrategien spielt die Verfügbarkeit von Abfall eine große Rolle: die Möglichkeit konsistente und regelmäßige, ausreichende Mengen bestimmter Abfallgruppen zu liefern wird bestimmen, ob sich Valorisierungsstrategien durchsetzen. Das höchste Potenzial dafür stellen unvermeidbare Abfälle wie Produktionsabfälle der Lebensmittelherstellung dar. Durch ihre konstanten und hohen Mengen, die weitgehende Substrathomogenität und die wesentlich leichtere Sammlung bieten pre-consumer Abfälle die interessanteste Quelle. Bäckereiabfälle, Filterrückstände der Bierherstellung oder Abfälle der Getränkeherstellung wie Zitrusschalen können in diverse Chemikalien, Schlachtabfälle oder Altöle der Gastronomie einfach zu Biotreibstoffen umgewandelt werden.
Nichtsdestotrotz sollte es immer die höchste Priorität haben, Abfälle so weit als möglich zu vermeiden. Die Abfallvermeidung ist oberstes Gebot der Abfallrahmenrichtlinie 2008/98/EG und sollte auch als solches fest im Gedächtnis der Bevölkerung verankert werden. In diesem Sinne können Wertsteigerungsmaßnahmen einen zusätzlichen Weg darstellen um Abfälle zu neuen, hochwertigen Produkten weiterzuverarbeiten.
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